Alterssicherung armutsfest machen

Rentenmodell katholischer Verbände bei Seminar des KKV Bayern vorgestellt
Die Renten werden schmaler. Bis auf 43 % des letzten Gehalts sollen sie sinken. Wer deshalb auf private Vorsorge gesetzt hat, sieht sich getäuscht. Im Gefolge der Finanzkrise erhält er weniger als versprochen. Daher schlagen mehrere katholische Verbände ein Rentenmodell vor, das die Alterssicherung armutsfest machen soll.
Unter der Überschrift „Sozial und gerecht“ stellte Dieter Wagner bei einem Seminar des KKV Bayern im Nürnberger Kopinghaus das Modell vor. Der frühere Würzburger Diözesanvorsitzende der Katholischen Arbeitnehmerbewegung hat die Idee mitentwickelt. Neben der KAB wird das Rentenmodell von der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd), dem Familienbund der Katholiken, dem Kolpingwerk und der Katholischen Landvolkbewegung getragen. Auch der KKV Passau befürwortet es und hat die Unterstützung durch den KKV Bayern beantragt.
„Real verlieren die Ruheständler“, konstatierte Dieter Wagner. „Das ist vielen, die heute im Arbeitsleben stehen, gar nicht bewusst.“ Ein Neurentner, der 2001 noch 724 Euro monatlich erhielt, rechnete der Referent vor, bekommt 2011 nur noch 634 Euro. Zwischen Rentnern und Pensionären klaffe zudem ein immer größerer Unterschied. Während die gesetzliche Rente auf 43 % des Gehalts abgeschmolzen werde, streichen ehemalige Beamte 71 % ein. „ist das richtig?“, fragte Wagner.
Der Referent warnte auch vor einer neuen Altersarmut. Diese treffe nicht nur Frauen, sondern angesichts der Zunahme gebrochener Erwerbsbiographien auch immer mehr Männer. „Den Standardrentner der Rentenversicherung, der nach 45 Arbeitsjahren in den Ruhestand geht, gibt es heute und in Zukunft kaum noch“, urteilte Wagner. „Wer geht denn noch mit 14 Jahren in die Lehre und arbeitet dann bis 65?“
Die katholischen Verbände hätten sich daher ein Rentenmodell zum Ziel gesetzt, das den unterschiedlichen Lebensläufen Rechnung trägt. Einer generellen Privatisierung der Alterssicherung erteilen sie eine Absage. Vielmehr gelte es den solidarischen Grundgedanken der gesetzlichen Rentenversicherung zu stärken. Wagner: „Das hat sich bewährt, aber es muss weiterentwickelt werden.“ Daher müsse das umlagefinanzierte System erhalten bleiben. Gleichzeitig sei der Sozialstaat in der Pflicht, allen Bürgern ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.
Daher haben die Verbände ein Rentenmodell entwickelt, das aus drei Elementen besteht: 1. einer Sockelrente, 2. der Arbeitnehmerpflichtversicherung und 3. der betrieblichen und privaten Altersvorsorge.
Die Sockelrente soll auf einer solidarischen Bürgerversicherung für alle Bürger beruhen. Versichert ist jeder, der steuerpflichtig ist (auch wenn er de facto keine Steuer zahlen muss) und in der Bundesrepublik lebt. Vom 16. bis zum 65. Lebensjahr erwirbt er jedes Jahr den Anspruch auf 2 % der Sockelrente. Wer 50 Jahre in Deutschland gelebt hat, hat dann Anspruch auf die volle Sockelrente. Ihre Höhe soll das soziokulturelle Existenzminimum abdecken; derzeit wären dies 420 Euro. Die Beiträge sind auf alle Einkünfte, die das Steuerrecht kennt, zu entrichten, also auch auf gewerbliches und selbständiges Einkommen, auf Mieteinnahmen und Kapitalerträge. Als Beitragssatz sind 5 % angedacht.
Die Sockelrente soll nicht steuerfinanziert sein. Dazu Wagner: „Das haben wir diskutiert. Aber da besteht die Gefahr der Begehrlichkeit des Staates, der bei schlechter Haushaltslage den Zuschuss dann streicht. Bei Beiträgen besteht ein Eigentumsschutz der Versicherten.“
Die Arbeitnehmer-Pflichtversicherung bleibt bestehen. Allerdings soll es keine „abgeleiteten“ Renten, sprich keine Witwen- und Witwerrenten mehr geben. Jeder Ehepartner erwirbt einen eigenständigen Rentenanspruch. Die Anerkennung von Erziehungszeiten wird auf 6 Jahre pro Kind angehoben und auch Pflegezeiten werden anerkannt.
Die Betriebsrente wird zum Regelfall. Alle Arbeitgeber sollen in abgesicherte Pensionsfonds einzahlen. Wagner glaubt, dass die Pflicht einer betrieblichen Altersversorgung machbar ist: „Der Arbeitgeber spart zunächst Kosten, da durch die Einführung der Sockelrente der Beitrag zur solidarischen Pflichtversicherung sinkt. Das eingesparte Geld kann er dann in die Betriebsrente stecken.“
Die Einführung dieses Modells nannte Wagner umsetzbar. Die „Deutsche Rentenversicherung“ (seit 2005 Name der gesetzlichen Rentenkassen) veranschlagt, dass 75 Milliarden Euro zur Einführung nötig seien. Um dieses Volumen aus Beiträgen aufzubauen, würde man 50 Jahre benötigen. Mit einer staatlichen Anschubfinanzierung könnte das Rentenmodell deutlich früher kommen.