Der einzelne Arbeitnehmer muss etwas wert sein

Diskussion mit Gewerkschafter und Ehrbarem Kaufmann
Auffallend einig waren sich Unternehmer und Gewerkschafter bei der Podiumsdiskussion, die am Freitagnachmittag des Bundesverbandstages auf Erik Händelers Vortrag folgte. Beide halten die Mitsprache der Arbeitnehmer im Betrieb für wichtig.
Der Ingolstädter Unternehmer Reinhard Büchl, vor zwei Jahren vom KKV als „Ehrbarer Kaufmann“ ausgezeichnet, vertrat die Meinung, mittlerweile finde kein Wettbewerb mehr zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sondern ein Konkurrenzkampf zwischen den Konti-nenten statt. Büchl wies darauf hin, dass die Deutschen sich nicht auf einen scheinbaren Vorsprung ausruhen dürften, da alle anderen Kulturen ebenfalls sehr intelligent und lernfähig seien und in vielen Bereichen der Wirtschaft bereits aufgeholt hätten.
Heinrich Birner, Geschäftsführer bei ver.di für den Bezirk München und Region und Mitglied des Aufsichtsrates der Sparkasse München und des Flughafens, sieht die Wirtschaft in einer Übergangsphase, in der viele unangenehme Brüche stattfänden. Die Digitalisierung komme wie eine Welle über uns, die sich aber zum Tsunami entwickle, wenn wir ihr aus dem Weg gingen, so Birner. Darum sei es seiner Meinung nach wichtig, sich rechtzeitig mit diesem Thema auseinander zu setzen. Besonders tragisch sei es, wenn ein Unternehmen nicht mehr weiter existieren könne, weil es die Digitalisierung verpasst habe. Darum hält Birner es für wichtig, bereits jetzt die Mitarbeiter auf künftige Entwicklungen hin zu schulen. Arbeitgeber benötigten Mitarbeiter, die flexibel seien und die Bereitschaft hätten, sich ständig weiter-zubilden.
Birner riet, nicht nur auf die Quartalszahlen zu achten, wie es oftmals bei großen Konzernen der Fall sei, sondern auf die Nachhaltigkeit. Die Unternehmen müssten radikal hinterfragen, ob das Produkt, das sie heute produzieren, morgen möglicherweise nicht mehr gebraucht werde. Nur so sei eine Weiterentwicklung möglich.
Das Bundesverbandstagsthema „Mensch bleiben in der Arbeitswelt“, bezog Birner vor allem auf die Frage, ob jemand nur funktionieren müsse oder ob dessen Einwände auch gehört würden. Die Führungskräfte müssten einen entsprechenden Umgang mit ihren Mitarbeitern entwickeln. Ferner kritisierte Birner, dass in einigen Branchen trotz einer Vollzeitstelle der Arbeitslohn nicht zum Leben ausreiche.
In ähnlicher Weise erklärte Reinhard Büchl, dass der Zweck der Unternehmen sei, Produkte für Menschen herzustellen und dem Gros der Bevölkerung eine Möglichkeit zu bieten, Geld zu verdienen, sich sozial abzusichern und sich in der Arbeit selbst zu verwirklichen.
Mensch zu sein in der Arbeitswelt, bedeutet für Büchl, dass der einzelne das Gefühl habe, etwas wert zu sein. Am tatsächlichen Berufsleben bemängelte er: „Der Mensch ist durch den Dollar ersetzt worden.“ Erst vor kurzem habe er an einer Schule den angehenden Auszubildenden und Studenten den Rat gegeben, bei der Berufswahl jedes Dollar-Zeichen wegzulassen, weil der Mensch nur dann sein Glück finden könne, wenn er die Wahl seiner künftigen Tätigkeit nicht von einer hohen Entlohnung, sondern vor allem von seinen Fähigkeiten und Interessen abhängig mache.
Die Moderatorin Dr. Gabriele Riffert stellte den Podiumsteilnehmern die Frage, welche Un-ternehmer und Arbeitnehmer wir in Zukunft brauchen. Erik Händeler prognostizierte, dass berufliche Tätigkeit in Zukunft aus 80 % Lesen, Lernen und Wissensweitergabe bestehe. Dabei werde das Einhalten sozialer Normen, vor allem der Umgang mit Kritik, bei fortschrei-tender Technik immer wichtiger. Wissensmanagement setze die Bereitschaft, das Wissen mit anderen zu teilen, voraus. Dafür lieferten die Werte des Christentums eine gute Grundla-ge.
In der anschließenden Diskussion mit dem Publikum kamen die Frage der Vereinbarkeit von Arbeit und Familie, der Konflikt zwischen Sparsamkeit und der Einhaltung christlicher Werte im Unternehmen sowie die Schwierigkeiten mancher Arbeitnehmer, sich gewerkschaftlich zu betätigen, zur Sprache.