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Die Endlichkeit des Lebens leben

Batlogg
Datum:
Veröffentlicht: 4.8.22
Von:
Gabriele Riffert

P. Andreas Batlogg SJ sprach beim KKV München über seine Krebserkrankung

Den Tag, an dem ihm der Gastroenterologe sagt, dass ein faustgroßer Tumor in ihm wächst und dass dagegen „schnell etwas gemacht“ werden müsse, wird P. Andreas Batlogg nie vergessen. Der Jesuit ist damals 55 Jahre alt und freut sich eigentlich auf ein Sabbatical in Jerusalem nach der Übergabe der Redaktionsleitung der renommierten Zeitschrift „Stimmen der Zeit“. Doch es sollte ganz anders kommen.

„Mit dem Aussprechen des Wortes Tumor ist ein Zustand gesetzt“, erinnert sich P. Batlogg. Er sagt den bereits gebuchten Flug ab, streicht das Sabbatical. Der Arzt sagt ihm, er müsse nach den medizinischen Eingriffen ein Jahr Pause einplanen. Diese „Pause“ erweist sich als hammerhart: Chemo, Bestrahlungen, Operation, Anus praeter, Rückoperation… P. Andreas Batlogg spricht bei der Mittagsveranstaltung des KKV Hansa München offen über das, was er durchmachen musste. Dazu liest er auch aus seinem Buch „Durchkreuzt“ vor, in dem er das Erlebte verarbeitet hat.

Er spricht von der inneren Überwindung, die es ihn gekostet habe, Hygieneprodukte in der Apotheke zu holen. Er schildert seinen anfänglichen Ekel bei der Beseitigung benutzter Windeln. Und er gesteht seine Genervtheit durch Mitbrüder und andere Christenmenschen, die ihn allzu platt trösten wollen. P. Batlogg ist zuvor nie länger gesundheitsbedingt ausgefallen, außer als Bub nach einem Beinbruch beim Skifahren. Doch nun muss er ums Überleben kämpfen. Zeitweise ist er so schwach, dass er im Rollstuhl gefahren werden muss. Anschließend braucht er monatelang einen Rollator. „Ich habe das Leben aus dem Blickwinkel eines Rollstuhlfahrers und später eines Rollatorbenutzers kennengelernt. Man sitzt im Rolli ganz schön tief unten. Jede Schwelle, jede Tür wird zum Hindernis, wenn sie einem nicht von lieben Menschen aufgehalten wird“, erinnert er sich.

P. Andreas Batlogg hat so früh wie möglich wieder angefangen zu arbeiten – „zu früh“, wie er heute einschätzt. Mit einer halben Stelle in der Glaubensinformation und einer halben Stelle in der Jesuitenkirche St. Michael ist er seither Seelsorger. Bisherige Nachuntersuchungen sind zufriedenstellend verlaufen.

Im Gespräch bei MiMM (Mittags in Münchens Mitte) outen sich Anwesende als ebenfalls von der Krankheit betroffen. P. Batloggs ehrlicher Umgang damit sei ermutigend. Einige interessiert, ob der Glaube bei Krankheit helfe. „In vielen Köpfen gibt es noch die seltsame Idee, als sei eine Krankheit die Strafe für eine frühere Schuld. Das trifft es natürlich nicht. Auch gute Menschen und gläubige Christen können krank werden. Und das ist vielfach der Fall“, gibt P. Batlogg zu bedenken. Natürlich könne der Glaube eine Hilfe sein. „Vielleicht bewahrt er davor, sich aufzugeben oder zynisch zu werden oder zum Trinker“, betont Batlogg. Letztlich gehe es um die Alltagstauglichkeit spiritueller Resilienz, die für jeden anders aussehen könnte. Dadurch, dass einem die Endlichkeit des Lebens bewusst geworden sei, könne man endlich leben – hoffentlich.

„Fromme Dauerberieselung ist eine Tortur. Diese Erfahrung habe ich selbst gemacht“, bekennt Batlogg. Manche Mitbrüder seien mit bedeutungsschwangerer Brust an sein Krankenbett getreten und hätten ihm erklärt, wie er in dieser Situation „richtig glauben“ könne. Richtig trösten konnten ihn nur Menschen, die nicht „zu glatt“ daherkamen und auch ein gemeinsames Schweigen aushielten. „Mich hat besser als jedes Wort eine gehaltene Hand getröstet oder eine Umarmung“, bekennt P. Batlogg.

Ebenfalls ein Thema beim MiMM: Die Diesseitsfixierung der gegenwärtigen Gesellschaft, die alles Negative ausblende. Wer gesund, gutaussehend und erfolgreich sei, gelte etwas. Beim Themenkomplex Krankheit ergriffen viele die Flucht. Welches Fazit zieht P. Andreas Batlogg SJ aus dem, was er durchlebt und durchlitten hat? „Ich bin in einem Alter, da will man nichts mehr werden“, betonte der fast 60-Jährige. „Aber ich will etwas geben.“

Literaturtipp: Andreas R. Batlogg. Durchkreuzt – Mein Leben mit der Diagnose Krebs. Tyrolia Verlag, 2019. (19,95 € als Hardcover, 16,95 € als E-Book).