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Digitale Techniken dürfen Zuwendung und Entscheidungsfreiheit nicht ersetzen

Nass' Vortrag beim Landestreffen in Erlangen
Datum:
Veröffentlicht: 1.11.18
Von:
Julia Pleninger

Prof. Nass sprach in Erlangen über die ethische Beurteilung von Digitalisierung in Medizin und Pflege

Hilfsmittel, die die fortschreitende Digitalisierung zur Verfügung stellt, sind in Medizin und Pflege gerechtfertigt, solange sie nicht menschliche Zuwendung ersetzen und Entscheidungen des Menschen aushebeln. Das war die Quintessenz von Prof. Dr. Elmar Nass in seinem Vortrag beim Landestreffen des KKV in Erlangen.

In der Begrüßung betonte Landesvorsitzender Dr. Klaus-Stefan Krieger den ökumenischen Aspekt des Abends. Der katholische Priester Prof. Dr. Elmar Nass ist Lehrstuhlinhaber für Wirtschafts- und Sozialethik an der evangelischen Wilhelm Löhe Hochschule in Fürth. Und der Hauptvortrag des Landestreffens der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung fand in der evangelischen Bildungsstätte Kreuz+Quer statt, einer früheren reformierten Kirche.

„Sollen uns künftig Roboter pflegen?“ hatte der KKV Prof. Nass als Frage gestellt. In Bezug auf die Digitalisierung sei in Ethik und Theologie noch viel zu tun, meinte Nass. Für die durch sie ausgelösten Neuerungen sei eine ethische Bewertung unbedingt erforderlich. Immer häufiger scheine in der öffentlichen Diskussion eine christliche Betrachtungsweise und Argumentation ausgeklammert zu werden, beklagte Nass und ermunterte gleichzeitig: „Die Christen müssen sich mit ihrer Meinung nicht verstecken.“

Gerade weil heutzutage technisch so viel möglich sei, müsse man bedenken, ob eine technische Entwicklung ethisch vertretbar sei. Jede Technik bringe ihre Vorteile mit sich. Das könne soweit gehen, dass eine neue Erfindung nicht nur praktisch sei und unser Alltagsleben er-leichtere, sondern sogar Menschenleben retten könne. Allerdings bringe jede technische Neuerung auch Schattenseiten mit sich, über die gesprochen werden müsse. Als Beispiel nannte Nass: Beobachten uns die Kameras unseres Smart Homes auch dann, wenn wir das nicht möchten? Werden technische Neuerungen ausgenutzt, um uns mehr zu kontrollieren?

In solchen Fällen müsse man sich die Frage stellen, ob zwei Werte miteinander konkurrieren, die beide mit der Menschenwürde in Zusammenhang stehen. Im Beispiel seien dies Gesundheit und Leben einerseits und Selbstbestimmung und Privatheit anderseits. „Jeder muss selbst entscheiden, ob er eine Technik im Haus haben möchte, die im Notfall hilft, bei der ich aber auch in Kauf nehmen muss, dass ich durch Kameras überwacht werde“, führte Nass aus.

Nass stellte klar, dass eine ethische Wertung nicht davon abhänge, wie sehr die Mehrheit eine technische Neuerung annehme. Ebenso sei eine neue Erfindung nicht deshalb ethisch unbedenklich, weil sich ein Wissenschaftler mit der Entwicklung einer Technik so sehr angestrengt habe. In einigen Forschungsgruppen seien bereits Ethiker mit eingebunden. Diese Ethiker hätten die Aufgabe abzugleichen, ob die Technik mit den gewünschten Normen und Werten und einem entsprechenden Menschenbild vereinbar sei.

Nass problematisierte auch die Verfahrensethik. Bei ihr diskutieren Vertreter unterschiedlicher Weltanschauungen in Kommissionen über eine Technik und kommen dann zu dem Ergebnis, ob sie wünschenswert ist oder nicht. „Das bedeutet aber,“ urteilte Nass, „wir brauchen Menschen, die sich trauen, ihre eigene Meinung zu sagen und miteinander unter bestimmten Regeln ins Gespräch zu kommen“, erklärte Nass. Das funktioniere aber nur dann, wenn Menschen mit einem eigenen Wertebewusstsein sich an der Diskussion beteiligen. Dazu gehöre auch, dass sie keine Angst hätten, eine „aneckende Position“ einzunehmen.

Nass rief dazu auf, als Christen bewusst christlich zu argumentieren. Die christliche Ethik kenne drei Kriterien: Die Verantwortung gegenüber Gott, sich selbst und dem Nächsten. Eine technische Neuerung sei aus christlich ethischer Sicht vertretbar, wenn sie den Menschen helfe und den Auftrag, den Gott uns gegeben habe, nicht widerspreche.