Ein inspirierender Europäer

Theo Waigel als Gesprächspartner beim KKV München
Theo Waigel treffen und mit ihm über „Gott und die Welt“ reden, das wurde im KKV Hansa Haus in München möglich. Der frühere Bundesfinanzminister war zu Gast in der Reihe „Salon am Königsplatz“. Bekanntlich fielen in seine Amtszeit die deutsche Wiedervereinigung und die Grundlegung des Euro. Mit seinen mittlerweile 81 Lebensjahren verfügt er über eine bemerkenswerte Präsenz. Fakten aus früheren Jahrzehnten ruft er flüssig ab, Einschätzungen zu aktuellen Themen kommen zügig und doch wohlüberlegt.
Die Gäste waren aufgrund der aktuell wieder verschärften Corona-Regeln auf drei Räume verteilt. Im großen Saal wurde diskutiert, in zwei weitere Räume wurde direkt übertragen. Alle Anwesenden lernten in Theo Waigel einen überzeugten Christen und Europäer kennen.
Von Moderatorin Gabriele Riffert nach seinem im Zweiten Weltkrieg in Frankreich gefallenen Bruder gefragt, erklärte er, dass ihn dieses Erlebnis als Buben tief geprägt habe. Berührt zeigte sich Waigel von der Versöhnungsbereitschaft der früheren Kriegsgegner. „Auch deshalb ist aus mir ein überzeugter Europäer geworden“, betonte der Politiker. Der Euro als gemeinsame Währung sei ein einigendes Band, das sich bewährt habe, auch wenn seit seiner Einführung die Stabilitätskriterien mehrfach nicht eingehalten wurden. Angesichts von populistischen und nationalistischen Strömungen in der Politik setzt Theo Waigel auf Argumente und Überzeugungsarbeit in Sachen Europa. „Zur Europäischen Union gibt es keine Alternative!“, betonte er mit Nachdruck. „Mir sind die gegenwärtigen Staatspräsidenten von Ungarn, Tschechien oder Polen noch immer deutlich lieber als die Regierenden vor 35 Jahren, als zahllose Atomraketen des Warschauer Pakts auf Deutschland gerichtet waren.“
Ermutigendes Gottesbild
Theo Waigel bekannte sich als katholischer Christ, dessen Glaube sich entwickelt habe: weg vom strafenden Gott hin zum befreienden und ermutigenden Gottesbild. Dies verdanke er unter anderem dem Theologen und Philosophen Eugen Biser, mit dem ihn eine lange Freundschaft verband. „Eugen Biser hat mich jeden Sonntag angerufen und Mut für die Aufgaben der kommenden Woche zugesprochen. Danach hat er Helmut Kohl angerufen. Diese beständige Form der Begleitung hat mir gutgetan, gerade auch dann, wenn es einmal nicht so gut lief“, gestand Theo Waigel.
Betroffen waren die Gäste der Veranstaltung, als Waigel davon berichtete, wie er lange damit leben musste, ein Hauptziel der RAF-Terroristen zu sein. Diese hatten bereits einen Plan vom direkten Umfeld seiner damaligen Schwabinger Wohnung besorgt. Durch umfassenden Personenschutz hätten ihm die Terroristen nichts anhaben können. Da sie an ihn nicht herangekommen seien, töteten sie Detlev Karsten Rohwedder, den damaligen Chef der Treuhandanstalt. „Rohwedder wollte eigentlich sein Amt aufgeben, aber ich habe ihn zusammen mit Helmut Kohl noch ermutigt, doch weiterzumachen und er hat sich unseren Argumenten gebeugt. Dann wurde er erschossen“, berichtet Theo Waigel, dem der Anschlag bis heute zu schaffen macht.
In der anschließenden Diskussion mit den Anwesenden appellierte Waigel dazu, sich für ein einiges Europa zu engagieren und undemokratische Bestrebungen deutlich abzuwehren. „Was wir erreicht haben, ist auch in Zukunft tragfähig, wenn wir uns nach bestem Wissen und Gewissen dafür einsetzen.“
Buchtipp: Wer es nicht zum „Salon am Königsplatz“ geschafft hat, dem sei Theo Waigels Autobiografie empfohlen: Theo Waigel. Ehrlichkeit ist eine Währung. Erinnerungen. Ullstein Verlag, 2020. Das Buch ist überall erhältlich und kostet 11,99 Euro.