Esoterik - die Religion der Gegenwart

Dr. Hans Markus Horst referierte beim KKV Erlangen über die Faszination des Übersinnlichen
Okkultismus und Spiritismus, Übersinnliches und Verschwörungstheorie(n): Die Bandbreite reicht von Lebenshilfe bis lebensgefährlich. Über dieses Thema sprach jetzt Dr. Hans Markus Horst, Leiter der Beratungsstelle für Weltanschauungsfragen im Erzbistum Bamberg, bei einem Vortrag des KKV Erlangen in Kooperation mit der Katholischen Erwachsenenbildung (KEB) in der Erlanger Pfarrei St. Sebald.
In seiner Tätigkeit erlebe er immer wieder die unterschiedlichsten Reaktionen und Auswüchse auf Krisen – wie unlängst Corona oder der Ukraine-Krieg. „Die Menschen haben Angst vor Inflation und steigenden Preisen“, so der 65-Jährige. Wirtschafts- und Finanzkrise, Klimakrise, Gesundheitskrise, Naturkrise: Das Lebens- und Weltgefühl vieler Menschen spiegle die Unsicherheit einer von Mehrfachkrisen geprägten Zeit wider. Übersinnliches komme da gerade recht: „In Großbritannien glauben laut einer Studie mehr Menschen an Geister als an Gott“, bringt es der Theologe auf den Punkt. „Die unsichtbare Welt hatte immer schon Anziehungskraft.“ Dahinter stecke neben Wissensdrang und Neugierde vor allem auch Motivation, über spezielle Phänomene und übersinnliche Kräfte selbst die Faszination des Unheimlichen unmittelbar erleben zu können. „Besonders Jugendliche sind anfällig für so etwas“, gibt Markus Horst zu bedenken.
Das Übersinnliche, so der Experte, könne Lebenshilfe bei Entscheidungen sein sowie bei der Bewältigung von Zukunftsängsten helfen. Dahinter stecke die Suche nach Lebenssinn, Werten und Zielen. „Okkultismus ist nichts Neues“, weiß Horst, „und ist etwa in der Jugendkultur zu finden“, denke man doch allein an die Kinder- und Jugendromanreihe „Harry Potter“ der englischen Schriftstellerin Joanne Rowling, deren Hauptprotagonist, Schüler des britischen Zauberinternats Hogwarts, von seiner magischen Herkunft erfährt.
Hans Markus Horst möchte weder Strömungen verteufeln, noch sie schön reden. „Man muss einfach wissen, dass bestimmte Rituale und Praktiken bei psychisch labilen Menschen zum Beispiel Angststörungen auslösen können“, so Horst. Esoterik, erlebt er immer wieder, scheine die Religion der Gegenwart zu werden – Tendenz steigend. „In diesem Welt- und Menschenbild ist alles mit allem verbunden“, erklärt der Theologe. Dabei sei (auch) Vorsicht geboten: „Jede Weltverklärung kann Krisen verschleiern“, gibt er zu bedenken. Darüber hinaus gebe es nicht selten eine Anknüpfung an rechtsextremes Gedankengut.
In der Beratung trifft Hans Markus Horst immer wieder auf Menschen, die der Wahrsagekunst anderer vertrauten und auf Pseudo-Angebote hereinfielen. „Solche Leute geben viel Geld aus, werden vollkommen ausgebeutet – und am Ende sind ihre Probleme trotzdem nicht gelöst.“ Die Frage müsse vielmehr lauten: „Wer oder was hilft mir wirklich in einer bestimmten Lebenssituation? Wo finde ich echte Orientierung?“ Selbst in Kirchengemeinden gebe es inzwischen manch fragwürdiges und unreflektiertes Angebot. „Genau hinschauen!“, rät der Experte, der verhindern möchte, dass Menschen auf den falschen Weg geschickt werden und in ungesunde Abhängigkeiten geraten.
„Wir leben in einer esoterischen Zeit“, so Markus Horst. „Auch gläubige Menschen sind in Krisen verwundbar.“ Bewusst ist er sich auch darüber, dass Kirche in einigen Bereichen, wie beispielsweise in der Lebensbewältigung, versage. „Die Attraktivität esoterischer Angebote liegt in der Kompensation von Ohnmachtsgefühlen“, weiß Markus Horst. „Den Leuten wird vorgemacht: Alles ist möglich, insbesondere bei Trauerbewältigung und Sinnsuche.“ Deutlich sei: „Menschen suchen nach Lösungen für ihr Leben, insbesondere in Krisen(zeiten). Sie brauchen Halt, Sicherheit und Trost.“