Flüchtlinge integrieren und Gesellschaft stabilisieren
Stellungnahme des Landessenats mahnt, andere soziale Probleme nicht zu vergessen
Der KKV Landesverband Bayern der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung hat sich bei seinem Landestreffen in Nürnberg mit der aktuellen Herausforderung durch die Ankunft einer ungebrochen hohen Zahl von Flüchtlingen beschäftigt. Der Landessenat - das Gremium besteht aus den Vorsitzenden der Ortsvereine, den Diözesanbeauftragten und dem Landesvorstand - verabschiedete am 24. Oktober 2015 eine Stellungnahme unter der Überschrift "Flüchtlinge integrieren und Gesellschaft stabilisieren". In ihr fordert er eine gerechte Verteilung bei der Aufnahme der Flüchtlinge. Ebenso erwartet der KKV Bayern von Polizei und Justiz eine konsequente Verfolgung fremdenfeindlicher Hetze und Gewalt. Vor allem aber wirbt die Stellungnahme dafür, die Integration derer, die in Deutschland bleiben dürfen, als langfristige Aufgabe zu sehen, für die schon jetzt Konzepte entwickelt werden müssen. Dazu zählt der KKV Bayern, bereits vorhandene gesellschaftliche Probleme nicht aus dem Blick zu verlieren und eine Benachteiligung anderer problembelasteter sozialer Gruppen zu vermeiden. Der Landessenat beschloss ferner, dass sich der KKV Bayern im Rahmen des Jahresthemas 2016 mit der Integration von Flüchtlingen auseinandersetzt.
Die vollständige Stellungnahme hat den Wortlaut:
„… ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen“ (Matthäus 25,35)
Flüchtlinge integrieren und Gesellschaft stabilisieren
Die politische Situation in Deutschland ist gegenwärtig beherrscht vom starken Zustrom an Flüchtlingen. Die gesellschaftliche Diskussion, wie diese Herausforderung zu bewältigen ist, wird zunehmend kontroverser und gewinnt an Schärfe. Vor diesem Hintergrund wirbt der KKV Bayern für einige grundsätzliche Einsichten:
Angesichts der Herausforderung für die Gesellschaft helfen weder Panikmache noch Schönfärberei. An der Verpflichtung, Verfolgten Schutz zu gewähren, ist ebenso wenig zu rütteln wie an der Tatsache, dass die hohe Zahl an Flüchtlingen, für deren Zuwanderung sich kein nahes Ende abzeichnet, vor gravierende Probleme stellt. Bayern trägt dabei nach wie vor die Hauptlast bei der Ankunft der Zuwanderer. Nicht zu rechtfertigen ist daher, dass sich einzelne Staaten in der Europäischen Union oder einzelne Bundesländer ihrer Verantwortung entziehen. Es bedarf einer gerechten Aufgabenteilung bei der Aufnahme der Asylbewerber.
Hetze und Gewalt sind keine Mittel der demokratischen Auseinandersetzung. Sie dürfen nicht toleriert werden. Zwar scheint die Verharmlosung rechtsextremer Propagandisten als „besorgte Bürger“ angesichts aktueller Gewalttaten an ihr Ende gekommen zu sein. Und zunehmend weisen Politiker auf die Strafbarkeit von Volksverhetzung hin. Angezeigt ist aber eine – mehr als bisher – konsequente Verfolgung der Straftaten. Wenn menschenfeindliche Parolen gerufen, Steine geworfen, Mordinstrumente gezeigt und zu Gewalt angestachelt wird, müssen Polizei und Staatsanwaltschaft durchgreifen.
Auch das Internet darf nicht als de facto rechtsfreier Raum gelten. Wenn in Kommentarspalten und Sozialen Netzwerken Hetzparolen gepostet und nicht gelöscht werden, sind auch die Betreiber solcher Plattformen zu belangen.
Die Bewältigung der Zuwanderung darf sich nicht darauf beschränken, die aktuelle „Flüchtlingskrise“ in den Griff zu bekommen. Die geordnete Aufnahme der Ankommenden, die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge oder die Bearbeitung der Asylverfahren sind drängende Aufgaben. Die anerkannten Asylbewerber werden aber für Jahre, wenn nicht für immer in Deutschland bleiben. Ihre Integration ist eine langfristige Aufgabe, für die schon jetzt Konzepte zu entwickeln sind. Es muss von vornherein vermieden werden, dass neue Parallelgesellschaften entstehen.
Bei aller Dramatik darf nicht der Eindruck erzeugt werden, die Herausforderung durch die hohe Zahl an Flüchtlingen sei das einzige Problem der deutschen Gesellschaft. Obdachlosigkeit, der hohe Anteil armutsgefährdeter Kinder, eine drohende neue Altersarmut: solche sozialen Verwerfungen, die vor der „Flüchtlingskrise“ auch Thema der gesellschaftlichen Diskussion waren, sind nicht einfach verschwunden. Ihnen gilt es weiterhin Aufmerksamkeit zu schenken. Dass etwa Wärmestuben, Tafeln oder Mittagstische für bedürftige Menschen nach neuesten Meldungen über einen drastischen Rückgang an Spenden klagen, ist ein Alarmzeichen. Bei sozialen Maßnahmen, die zunächst auf Flüchtlinge zielen, sind deshalb andere gesellschaftlich Benachteiligte immer mit einzubeziehen. Wenn jetzt etwa Wohnungsbau für anerkannte Asylbewerber angestoßen wird, muss die Förderung so angelegt werden, dass der so entstandene Wohnraum später auch generell als Sozialwohnungen genutzt werden kann.
Vermieden werden muss auch ein Verdrängungswettbewerb unter einkommensschwachen Bevölkerungsgruppen. Wenn etwa Immobilienbesitzer Mietern kündigen, weil für die Vermietung an die Stadt für die Unterbringung von Flüchtlingen höhere Mieten gezahlt werden, hat die Kommune vor ihrer sozialen Verantwortung versagt.
Es ist nicht verboten, die gegenwärtige Lage mit anderen Herausforderungen zusammen zu denken. Die demographische Entwicklung stellt die Gesellschaft vor die Frage, wie die Unterstützung kranker, pflegebedürftiger oder dementiell erkrankter Mitbürger morgen noch zu organisieren ist. Die Zuwanderung, die ja auch mit der Suche nach Lebensunterhalt und beruflicher Zukunft verbunden ist, eröffnet die Chance, Menschen gezielt für schon jetzt von Fachkräftemangel geplagte Berufszweige zu gewinnen.
Die Aufnahme von Flüchtlingen darf nicht zur Hintansetzung anderer gesellschaftlich benachteiligter Gruppen führen.