„Katholische Soziallehre will Tariffreiheit“

KKV-Vorsitzender widerspricht Idee ministeriell festgelegter Gehälter in der Pflege
"Die Tarifautonomie ist ein hohes Gut unserer Demokratie. Dass Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter, Unternehmerverbände und Gewerkschaften Arbeitsbedingungen frei aushandeln, gehört zu den wichtigen bürgerlichen Freiheiten in der Bundesrepublik Deutschland. Dass katholische Sozialethiker diese Freiheit in Frage stellen, weil ihnen die Entscheidung einer einzelnen Tarifkommission nicht gefällt, dafür fehlt mir jedes Verständnis.“
Mit diesen Worten kommentiert Dr. Klaus-Stefan Krieger, Vorsitzender des KKV Landesverbandes Bayern Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung, die scharfe Kritik einer Gruppe von Theologieprofessoren an der deutschen Caritas. In deren Arbeitsrechtlicher Kommission hatte das Ansinnen des Bundesarbeitsministers, einen einzelnen Tarifvertrag für die gesamte Pflegebranche allgemeinverbindlich zu machen, keine Mehrheit erhalten. Da die Zustimmung der Kommission eine Voraussetzung für die Allgemeinverbindlichkeit war, ist der Versuch gescheitert, auf diesem Weg höhere Gehälter für alle Pflegekräfte in Deutschland durchzusetzen.
„Ohne Zweifel ist eine bessere Entlohnung der Pflegekräfte überfällig. Dass aber ein Minister einen Vertrag, der für gerade einmal 65.000 von 1,2 Millionen Beschäftigten ausgehandelt wurde, zum Gesetz erhebt, untergräbt langfristig die grundgesetzlich geschützte Koalitionsfreiheit,“ wendet Krieger ein. „Und dass der Staat Löhne im Detail festlegt, widerspricht auch der katholischen Soziallehre. Besagt deren Prinzip der Subsidiarität doch, dass der Staat nicht einzugreifen hat, wenn die gesellschaftlichen Akteure ihre Angelegenheiten selbst regeln können.“
Unverständlich findet Krieger, dass ver.di wegen eines kurzfristigen Imagegewinns einen Weg beschreite, der den Gewerkschaften selber schade. Zumal es einen Vorschlag gebe, der deren Anliegen besser entspreche und den auch die Caritas unterstütze. Der Bundesgesundheitsminister hatte die Idee in die Diskussion gebracht, künftig nur die Dienstleister als Anbieter von Pflege zuzulassen, die sich an ein Tarifwerk binden. „Dann müsste jeder Arbeitgeber in der Pflegebranche einen Tarifvertrag abschließen, könnte diesen aber frei aushandeln. Das wäre zweifellos die bessere Lösung“, meint Krieger. Dass der Arbeitsminister nun mit dem Versuch, einen einzelnen Tarifvertrag für allgemeinverbindlich zu klären, vorgeprescht ist, nennt Krieger „eine parteipolitische Finte im Vorwahlkampf der Noch-Koalitionäre in der Bundesregierung“.
Den Vorwurf an die Caritas, das Gemeinwohl zu untergraben und gegen grundlegende Prinzipien der Soziallehre zu verstoßen, wendet Krieger gegen die Kritiker: „Sie sollten sich die Frage stellen, ob sie nicht selbst Solidarität verweigern, nämlich die grundlegende Solidarität mit den Unterstützungsbedürftigen. Gegenwärtig gehen Lohnerhöhungen für die Pflegekräfte voll zu Lasten der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen. Oder wenn die Alterssicherung nicht ausreicht und die Sozialhilfe für die Kosten aufkommen muss, zu Lasten der Kommunen.“
„Wer bessere Gehälter und Arbeitsbedingungen, wie sie Beschäftigte von Diakonie und Caritas jetzt schon genießen, für alle Beschäftigten in der Pflege will, muss deren Finanzierung grundlegend reformieren.“ Die Pflege- als Teilkaskoversicherung hält Krieger für gescheitert. „Die Versorgung der Pflegebedürftigen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie darf daher nicht einfach auf die Betroffenen abgeschoben werden. Deshalb gehört Pflege aus Steuern finanziert. Öffentliche Sicherheit oder Verkehrsinfrastruktur werden ja auch von allen Bürgern finanziert und nicht nur von denen, die sie gerade benötigen.“