Kirche - eine Besserwisserin?!?

Der Jesuitenpater Jörg Dantscher zu Gast beim KKV Erlangen
Jörg Dantscher nimmt kein Blatt vor den Mund: Mit dem Titel seines Vortrags vor KKV-Mitgliedern in der Erlanger Gemeinde St. Sebald fordert er seine Zuhörerinnen und Zuhörer heraus: „Weiß die Kirche alles besser?“ fragt er – und holt in seinen „Gedanken zu Demokratie in Staat und Gesellschaft“ ein wenig aus, spricht von der „Mater Ecclesia“, der „Mutter Kirche“, einer Frau, wie er mit einem Augenzwinkern bemerkt, geht ein auf Mose und die Zehn Gebote. „An dieser Gottesbotschaft hatte bereits Mirjam so ihre Zweifel“, betont der Missionsprokurator der Nürnberger Jesuitenmission.
Die Menschen heute lebten in einer Zeit, so der Ordensmann, in der alles dem Dialog und der Diskussion sowie der Überprüfung sämtlicher Argumente unterworfen sei. „Ebenso wenig leben wir noch in einer mittelalterlichen Kirche“, gibt Dantscher zu bedenken. Über Jahrhunderte hinweg habe sich die Kirche mit Deutungshoheit und Unfehlbarkeit bemüht, das Sagen zu haben, erklärt er. Dies beziehe sich nicht nur auf Glaubensfragen oder allgemeine Ethik, sondern auch auf Dogmatik und Moral sowie auf Ämter und andere Verantwortungsbereiche. „Die Kirche signalisiert uns immer wieder: Wir zeigen euch, wie es geht“, fasst Dantscher diese teils anmaßende und wenig demütige Haltung zusammen. „Viel zu lange war Kirche nicht kritikfähig“, findet er. „Wir können nicht mehr so schlampig und schnell wie bisher über gewisse Themen hinweggehen.“ Stichwort Frauenpriestertum. „Warum ist man so wenig lernbereit? Warum setzt sich Kirche nicht mit den Menschen zusammen und sucht nach konkreten Lösungen?“, fragt er. Heute habe niemand mehr Zweifel an diversen wissenschaftlichen Forschungsergebnissen wie etwa der Evolutionstheorie eines Charles Darwin, die die Kirche lange nicht sehen wollte, gegen die sie sich mit Händen und Füßen gewehrt habe, so Dantscher. „Auch mit den Ausgebeuteten geht Kirche nicht besonders solidarisch um“, fügt er hinzu. So habe es etwa keine Gewerkschaften mit großem Durchsetzungsvermögen geben dürfen. „Bloß kleine Arbeitervereine, die unbedingt von Priestern geleitet werden mussten – denn Kirche weiß ja, wie so etwas geht“, sagt Dantscher.
Die Absurdität und Ungerechtigkeit so mancher Situation innerhalb von Kirche wird einmal mehr deutlich und greifbar an diesem Vortragsabend. „Die Kirche wundert sich heute“, so der Jesuit, „dass Frauen überall auf die Barrikaden gehen, weil sie ihre Rechte einfordern wie beispielsweise jene auf gleiche Entlohnung.“ Gleiche Rechte – in der Kirche undenkbar. Noch. Obwohl schon vieles im „Untergrund“ möglich sei, weiß Dantscher. „Irgendwann, wenn die Kirche erkennt, dass auch Frauen Menschen sind, wird sich heraus stellen, dass es vieles schon lange gab...“ Auch die Vertuschung gegen die eigene Schuld, mit der Kirche sich auseinander zu setzen habe: „Wo sie es gewusst hat, hat sie es verdrängt“, ist sich der Jesuitenpater sicher. Anstatt sich mit Besserwisserei zu beschäftigen, müsse Kirche zu aller erst an der Frage der eigenen Glaubwürdigkeit arbeiten, findet Dantscher. Da gehe es um Kompetenz und immer wieder auch um die Frage: „Nimmt mir der Gegenüber ab, was ich zu sagen habe?“
Angesichts nicht weniger Päpste stünden Christen in aller Welt die Haare zu Berge; immer wieder verdeutlichten diese Macht und Ohnmacht des Vatikan, so Dantscher. „Mancher Kardinal in seiner 350 Quadratmeter-Wohnung hat nie eine ärmliche Hütte von innen gesehen“, kritisiert Dantscher. „Kirche wird glaubwürdiger, je mehr sie zuhört und hinschaut, sich einklinkt in den Dialog mit der Welt und je weniger sie lehrt“, ist er sich sicher. Rechtsanwaltsfunktion statt Rechtsfunktion sei gefragt, findet Dantscher, der sich dennoch nicht schämt, Teil dieser Kirche zu sein. „Es gibt auch einiges, auf das wir stolz sein können“, sagt er, „etwa die Entwicklung, die die Kirche im Bildungsbereich voran getrieben hat.“ Und trotzdem: „Wir dürfen nicht die vergessen, die sich nicht (mehr) zugehörig fühlen.“
