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Von der Völkerschlacht zur Friedlichen Revolution

Leipzig Coffe Baum
Datum:
Veröffentlicht: 17.9.18
Von:
Klaus-Stefan Krieger

Familienseminar führte nach Leipzig

Thomanerchor, Völkerschlacht, Auerbachs Keller, Montagsdemonstrationen – der Stichworte sind viele, mit denen man Leipzig verbinden kann. Daher war es ein Angebot, proppenvoll mit Geschichte, Kultur, aber auch Natur, aus dem Erwachsene, Jugendliche und Kinder beim diesjährigen KKV-Familienwochenende schöpfen konnten.

Nachdem das Hostel neben Europas größtem Kopfbahnhof, über den auch einige Teilnehmer angereist waren, bezogen war, stellte sogleich eine Stadtführung die Sehenswürdigkeiten des Zentrums vor. Sie begann auf dem Augustusplatz, der durch die Oper und das Gewandhaus gleich von zwei hochkarätigen Musikstätten gerahmt wird. Ein weiterer Höhepunkt war die Nikolaikirche, ein wesentlicher Ausgangspunkt der Friedlichen Revolution in der DDR. Weiter ging es zu Auerbachs Keller, dem berühmten Schauplatz aus Goethes „Faust“.

Zum Abschluss zeigte die Führerin eigens für den KKV die neue Propsteikirche am Rand des Innenstadtrings. St. Trinitatis ist der größte katholische Kirchenneubau in den neuen Bundesländern nach der Wende. Mit seiner Einweihung 2015 kehrten die Katholiken – nach Abriss der kriegsbeschädigten ersten Kirche, jahrelangem Exil in evangelischen Kirchen und der Verdrängung der von den Stalinisten widerwillig erlaubten zweiten Kirche in eine Randlage – ins Stadtzentrum zurück.

Einen Blick aus der Vogelperspektive warfen die Familien am Abend auf Leipzig; dazu fuhren sie auf die Aussichtsplattform des – ursprünglich für Universität errichteten und daher im Volksmund „Weisheitszahn“ benannten – City-Hochhauses.

Der zweite Tag gestaltete sich entsprechend dem Alter des Nachwuchses. Drei Familien mit jüngeren Kindern besuchten den Leipziger Zoo. Sein Markenzeichen ist, dass die Besucher die rund 850 Tierarten in naturnahen, artgerechten Lebensräumen erleben können. Höhepunkt war zweifellos Gondwanaland: Die zwei Fußballfelder große Halle lässt die Gäste eintauchen in den tropischen Regenwald, dessen Pflanzen und Tiere man auf drei Ebenen – bis hinauf in die Baumwipfel – sehen kann.

Die beiden anderen Familien besichtigten das Völkerschlachtdenkmal. Das Monument erinnert an jene Abfolge von Gefechten, in denen vom 14.-19. Oktober 1813 bei Leipzig die erst seit einigen Monaten verbündeten Staaten Preußen, Russland, Österreich und Schweden eine gemeinsame Streitmacht gegen Napoleons Truppen antreten ließen. 600.000 Soldaten kämpften in dieser bis dahin größten Feldschlacht in Europas Geschichte; fast jeder fünfte von ihnen fiel. Die Niederlage des Franzosenkaisers war das Anfang vom Ende seiner Herrschaft über den Kontinent.

Das gigantische Bauwerk atmet freilich den Zeitgeist seiner Erbauer. Riesige Betonsäulen, deren Zwischenräume mit Erde und Abfall verfüllt wurden, stützten es im Innern. 91 Meter ragt es in die Höhe, 500 enge Stufen führen zur Aussichtsplattform. Kolossal-Figuren stellen einen gerüsteten St. Michael mit Stahlhelm dar oder versinnbildlichen Tapferkeit, Glaubensstärke, Volkskraft und Opferbereitschaft. Eingeweiht zum 100. Jahrestag der Schlacht, drückt das Denkmal mit seinem Bildprogramm und mit seinen babylonischen Ausmaßen den Vormachtanspruch des Deutschen Reiches aus. Nur ein Jahr später zogen die Patrioten, die den Bau durch Spenden finanzierten, mit Hurra in den 1. Weltkrieg.

Für die historische Einordnung der namengebenden Kriegshandlung sorgt ein Museum – das unter anderem verrät, dass die Sachsen auf dem Schlachtfeld die Seiten wechselten; mitten in der Auseinandersetzung führte ein Hauptmann an die 5.000 Soldaten Napoleons Gegnern zu.

Einen markanten Kontrast zu all dem Martialischen bildete am Nachmittag die Motette in der Thomaskirche. Der Thomanerchor sang, unterstützt vom Gewandhausorchester und Solisten, Werke von Heinrich Schütz und den Thomaskantoren Johann Hermann Schein und Johann Sebastian Bach. Die Kantate „Wer Dank opfert, der preiset mich“ komponierte Bach zum Evangelium vom Samariter, der sich als einziger von zehn Aussätzigen bei Jesus für seine Heilung bedankt. Über den Bibeltext predigte die Pfarrerin, denn die Motette in der Thomaskirche ist nicht profanes Konzert, sondern Gottesdienst. Ein beeindruckendes Erlebnis.

Eine Messe konnten die Teilnehmer am Sonntag in der Propsteikirche mitfeiern. Kindgerecht wurde in dem Familiengottesdienst Jesu Botschaft vermittelt, dass ein reines Herz wichtiger ist als saubere Hände. Am Vormittag fiel dann die Wahl zwischen Naturkunde- und Stadtmuseum. Im Alten Rathaus bereitet letzteres anschaulich Geschichte auf. So verkörpern Schauspieler in Videos die Theologen Martin Luther und Johannes Eck und lassen die Leipziger Disputation lebendig werden, die durch ein scharfes Zutagetreten der Gegensätze wesentlich zum Bruch zwischen Reformatoren und katholischer Kirche beitrug. An anderer Stelle kann sich der Besucher noch einmal die unterschiedlichen Berichte aus Ost und West über die Montagsdemonstrationen von 1989 anschauen, die zum Sturz des SED-Regimes führten.

Das Familienwochenende schloss ab mit einem kulinarischen Highlight: Leipziger Küche und Gose (ein der Berliner Weiße ähnelndes Bier mit Koriander) beim Mittagessen in der Traditionsgaststätte Zill’s Tunnel.