Wer Beichtgeheimnis beschneidet, muss dies auch bei anderen Schweigerechten tun
Wer das Beichtgeheimnis in Frage stellt, muss auch das Zeugnisverweigerungsrecht von Familienangehörigen abschaffen. Das ist eine logische Konsequenz.Es ist eine Binsenweisheit, aber in der Diskussion oft vernachlässigt, dass ein Großteil der Taten sexualisierter Gewalt im familiären Kontext begangen werden. Wer die Aufklärung dieser Straftaten zur obersten Maxime erklärt, kann dann auch nicht dulden, dass etwa die Ehefrau ihren Mann vor Gericht nicht belasten muss. Letztlich ist dann auch die anwaltliche Schweigepflicht nicht mehr gerechtfertigt. Wenn ein Angeklagter gegenüber seinem Verteidiger zugibt, die ihm zur Last gelegte Straftat begangen zu haben, müsste dann ja auch Vorrang haben, dass das Verbrechen öffentlich bekannt wird.
Zudem hätte eine Einschränkung des Beichtgeheimnisses keinen nennenswerten Effekt. Einmal abgesehen davon, dass die persönliche Beichte heute auch bei praktizierenden Katholiken nur noch eine untergeordnete Rolle spielt: Die jetzt bekannt gewordenen Fälle sexualisierter Gewalt in der Medienbranche – und es handelt sich ja nur um erste zaghafte Ansätze von Aufklärung, die zudem gegen mächtige Versuche der Vertuschung durchgesetzt werden mussten – wären wohl kaum schon früher enthüllt worden, wenn es kein Beichtgeheimnis gäbe.