Wichtiger denn je
Vor 50 Jahren gründete der KKV Bayern das BWB
„Vorsitzender: Kiesl Erich, Staatssekretär in München. Stellvertretender Vorsitzender: Hohmann Fridolin, Abteilungsleiter in Nürnberg. Schatzmeister: Forster Hans, Versandleiter in Nürnberg. Stellvertretender Schatzmeister: Diehl Josef, Amtmann in Unterschleißheim/Lohof…“ Unter der Vereinsregisternummer 1106 des Amtsgerichts Nürnberg vom 26. August 1971 lässt sich alles über den Gründungsvorstand des Bildungswerks Bayern e. V. der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung finden. Die „Nürnberger Zeitung“ vom 26. April 1971 berichtet von der Gründungsveranstaltung am 23. April im Caritas-Pirckheimer-Haus in Nürnberg und dem Vortrag von Professor Hans Köhler zum KKV-Jahresthema 1971/72 „Mit Konflikten leben“.
Motiviert von Konzil und Synode
„Wir wollten ein Bildungswerk gründen, um Veranstaltungen anbieten zu können, die den KKV Bayern und seine Ortsgemeinschaften noch bekannter machen sollten“, erinnert sich Andreas Koch aus Senden. Der heute 88-Jährige, einer der späteren KKV-Landesvorsitzenden, war damals bereits sehr aktiv im Verband und hielt die Idee eines eigenen Bildungswerks für sinnvoll und wichtig. Das Zweite Vatikanische Konzil sowie die Würzburger Synode motivierten den Verband zusätzlich dazu, Bildungsveranstaltungen anzubieten. Diesen Gründungsimpuls bestätigt auch Josef Diehl. Der heute 84-Jährige gehörte 24 Jahre dem Vorstand des BWB an: zunächst drei Jahre als stellvertretender Schatzmeister, dann 21 Jahre als stellvertretender Vorsitzender. „Dass sich damals Erich Kiesl als Vorsitzender zur Verfügung gestellt hat, hat uns eine Menge Aufmerksamkeit beschert. Er stand voll hinter der Sache, allerdings gab es von Anfang an die Vereinbarung, dass Fridolin Hohmann als geschäftsführender Vorsitzender wirken solle“, weiß Josef Diehl.
Die Idee, im Namen des KKV Bildungsveranstaltungen durchzuführen, gab es bereits seit den späten 1960-er Jahren. 1966 wurde der damals erst 33-jährige Fridolin Hohmann, der vom KKV Fulda aus beruflichen Gründen nach Nürnberg gekommen war, zum Landesvorsitzenden gewählt. Hohmann wünschte sich Veranstaltungen, durch die die Mitglieder der verschiedenen Ortsgemeinschaften miteinander in Kontakt kommen und sich über wichtige Themen austauschen sollten. So gab es bereits ein erstes Hirschberg-Treffen im Jahr 1969 mit 46 Teilnehmern. Im Februar 1970 schreibt Hohmann an die Mitglieder: „Am letzten Tag unseres ersten Treffens auf Schloß Hirschberg haben alle Teilnehmer spontan den Wunsch geäußert, diese für alle erlebnisreiche und für den Einzelnen bedeutungsvolle Begegnung nach Möglichkeit in jedem Jahr durchzuführen.“ 1970 erfolgt die Umbenennung in Hirschberg-Forum.
Ein großer Förderer von KKV-Landesverband und BWB war Kardinal Julius Döpfner. Er hatte als Vorsitzender der Freisinger Bischofskonferenz die Einrichtung einer Geschäftsstelle in Nürnberg unterstützt und dadurch die Rahmenbedingungen geschaffen, dass Verband und Bildungswerk gut arbeiten konnten.
Prominente Mitwirkende
Horst Baumann, gelernter Journalist und späterer bayerischer Landesvorsitzender, war von Anfang an bei allen Veranstaltungen „auf dem Hirschberg“ dabei. Baumann kam als „Quereinsteiger“ zum KKV, da der Augsburger Weihbischof Max Ziegelbauer den damaligen „Weltbild“-Prokuristen um eine Marktuntersuchung zur Zukunft der Augsburger Ortsgemeinschaft gebeten hatte. Der heute 91-Jährige wurde Mitglied und engagierte sich im Bereich Öffentlichkeitsarbeit. An die Gründungsphase des BWB kann er sich gut erinnern: „Da kamen motivierte Persönlichkeiten zusammen, darunter auch Jüngere, die es als Aufgabe eines katholischen Verbands angesehen haben, zum Nachdenken über entscheidende Fragen der Zeit einzuladen“, berichtet Horst Baumann, der heute in Celle lebt.
Die jährlichen Hirschberg-Foren boten dazu mit hervorragenden Referentinnen und Referenten eine Möglichkeit. Die Liste der prominenten Redner liest sich tatsächlich beeindruckend: Vom früheren bayerischen Ministerpräsidenten Alfons Goppel über Heiner Geißler, den Jesuiten Mario von Galli, Bernhard Vogel bis hin zu Horst Seehofer, Joachim Herrmann oder den früheren ÖDP-Vorsitzenden Sebastian Frankenberger reicht die Bandbreite. Dazwischen waren von Anfang an auch immer wieder Frauen, die als Wissenschaftlerinnen oder Politikerinnen um ihren Beitrag gebeten wurden. So war die saarländische Sozialministerin Rita Waschbüsch ebenso vor Ort wie die feministische Theologin Herlinde Pissarek-Hudelisk, die in Innsbruck als erste Frau der Welt Dekanin an einer theologischen Fakultät wurde.
Am 19. und 20. Januar 1978 wurde die erste Veranstaltung aus der Reihe der „Weltenburger Gespräche“ durchgeführt, die ebenfalls bis heute fortbesteht. Sie dienen dem „Auftanken“ und der Werteorientierung von KKV-Mitgliedern aus Land und Bund. Daneben gibt es weitere BWB-Angebote wie Familienwochenenden, gemeinsame Besuche der bayerischen Landesausstellungen, Gesundheitsseminare, Glaubensseminare auf Kloster Schwarzenberg, Adventstreffen, die Vortragsreihen "Wissen on Tour".
Raum für die Jugend
An ein ganz besonderes Wochenende erinnert sich Klaus-Dieter Engelhardt. „Ich war 1976 zum ersten Mal auf dem Hirschberg dabei. Mich hat es sehr angesprochen, wie viel Raum uns der BWB-Vorsitzende Fridolin Hohmann gelassen hat mit unseren Fragen. Außerdem hat mich der kulturelle Rahmen dort begeistert.“ Klaus-Dieter Engelhardt wird bekanntlich mit dem KKV und seinem Bildungswerk auf vielfache Weise verbunden bleiben: 1989 wird er beim BWB verantwortlich für Familienseminare sowie für berufsbildende Seminare. Auch später, als KKV-Landesvorsitzender und Vorsitzender des KKV Hansa München, kooperiert er eng mit dem Bildungswerk seines Verbandes. Schließlich wird er von 2012 bis 2020 dessen Vorsitzender. Aktuell ist er stellvertretender BWB-Vorsitzender.
Auch Klaus-Dieter Engelhardts Bruder Heribert ist mit dem BWB seit Jahrzehnten eng verbunden. Der promovierte Soziologe und Pädagoge, der das Staatsinstitut für die Ausbildung von Förderlehrern in Bayreuth leitet, stand ebenfalls bereits an der Spitze des BWB. „Ich bin bereits seit 35 Jahren im BWB aktiv. Zunächst war ich im Bildungsbeirat. Dann musste ich völlig unerwartet im Jahr 1999 das BWB kommissarisch leiten“, erinnert sich der engagierte Pädagoge. „Nach dem plötzlichen Tod Fridolin Hohmanns ging es darum, das Überleben des Bildungswerks zu sichern. Ich habe mich dieser Aufgabe für eine begrenzte Zeit gestellt, da ich durch meinen Beruf kaum freie Zeitressourcen hatte.“ Später war Heribert Engelhardt nochmals für eine Amtszeit BWB-Vorsitzender.
Aktuell ist er für das Themenressort „Bildung und Gesellschaft“ verantwortlich. Ihm ist wichtig, durch das Programm des BWB für mehr Gleichberechtigung in der Gesellschaft einzutreten, interkulturelle Kompetenzen zu stärken und generell die Demokratie zu fördern. „Ich sehe das BWB als weltoffenes, christliches Bildungswerk mit einem modernen Weltbild“, betont Heribert Engelhardt.
Ehrenamtliches Engagement
Das BWB basiert auf dem ehrenamtlichen Engagement von Bildungsmultiplikatoren. Einer, der sich lange im Ressort „Kultur“ engagiert hat, ist Franz Eisenmann aus Ingolstadt. Der langjährige Vorsitzende des KKV Ingolstadt hat gezielt Bildungsangebote bei seiner Ortsgemeinschaft angesiedelt. „Die Kooperation zwischen BWB und den KKV-Gemeinschaften war gut und locker“, weiß Eisenmann. Sein Repertoire war gekennzeichnet durch „Liebe zur Musik, Liebe zur Literatur und Liebe zur Malerei. Die persönlichen Begegnungen und offenen Gespräche führten zu vielen bleibenden Freundschaften“, erinnert sich Eisenmann.
Wichtig für die Arbeit des BWB ist auch der eingetragene Verein Freunde und Förderer des KKV Bildungswerks Bayern, der am 7. Juni 1996 gegründet wurde. Vorsitzender der „F&F“ ist Uwe Scherzer, der zugleich als Vorsitzender der Ortsgemeinschaft Nürnberg aktiv ist. „Wir haben rund 300 Mitglieder. Sie unterstützen mit ihrem Beitrag die Bildungsziele des BWB“, betont der Vorsitzende. So trügen die Freunde und Förderer dazu bei, dass Bildungsveranstaltungen wie das Hirschberg-Forum finanziell bezuschusst werden könnten.
Bildung: wichtiger denn je
Klaus Schramm ist seit November 2020 neuer Vorsitzender des BWB. Der langjährige leitende Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit, der zuletzt 16 Jahre die Agentur im baden-württembergischen Singen geleitet hat, erkennt einen großen Bedarf an Angeboten im Bereich der Persönlichkeitsbildung sowie der beruflichen Weiterbildung, gerade was Kommunikationsthemen angeht. „Die Teilnehmer kommen aber nicht nur wegen der Inhalte, sondern auch wegen attraktiver Rahmenbedingungen sowie der Begegnungen“, weiß Klaus Schramm. So sind etwa mittlerweile Bildungsangebote im Haus Insel Reichenau am Bodensee hinzugekommen. „Das ist dann auch für Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Baden-Württemberg attraktiv. Und die erste Schweizerin war auch schon bei uns“, schmunzelt Klaus Schramm.
Die Bildungslandschaft hat sich in den vergangenen 50 Jahren deutlich verändert. Die Gewinnung zusätzlicher Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Veranstaltungen erfordert Kreativität. Der Vorstand des BWB ist 2020 etwas jünger und weiblicher geworden, so dass die Ideen der aktuell berufstätigen Menschen noch stärker in die Programmplanung einfließen. Vorsitzender Klaus Schramm ist zuversichtlich: „Bildung ist heute wichtiger denn je. Ich bin als unverbesserlicher Optimist davon überzeugt, dass das BWB den KKV-Mitgliedern und auch Menschen außerhalb viel bieten kann.“
Das runde Gründungsjubiläum des BWB soll auch gefeiert werden: Beim diesjährigen Hirschberg-Forum vom 3. bis 6. Juni.