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Recht auf Unerreichbarkeit

Kampagnenplakat Unerreichbarkeit

Arbeitnehmer sind in der heutigen Zeit in weit höherem Maße auch in ihrer Freizeit für berufliche Belange erreichbar als noch vor einigen Jahren. Die Erwartungen der Betriebe an ihre Mitarbeiter, aber auch die Ansprüche von Mitarbeitern an sich selbst sind gestiegen. Möglich gemacht haben dies die modernen elektronischen Kommunikationsmittel. Eine Rolle spielt dabei aber auch die Flexibilisierung der Arbeitszeit. Die ständige Verfügbarkeit zeigt jedoch inzwischen zunehmend ihre negativen Auswirkungen und wird daher zunehmend problematisiert. Der KKV Verband der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung hat daher eine Kampagne gestartet unter dem Motto „Jeder hat ein Recht auf Unerreichbarkeit".  

Fast jeder zweite Beschäftigte in Deutschland ist laut Untersuchungen der Krankenkassen außerhalb der Arbeitszeit für den Arbeitgeber erreichbar. Jeder dritte erhält häufig Anrufe oder E-Mails aus seinem Betrieb oder leistet Überstunden. 11,7 Prozent bearbeiten sogar täglich berufliche E-Mails in der Freizeit. Grundsätzlich nie nach Dienstschluss erreichbar sind nur 10 Prozent der Arbeitnehmer.

Wissenschaftler vermuten einen Zusammenhang zwischen der Zunahme psychischer Erkrankungen und der ständigen Verfügbarkeit. Dem Fehlzeitenreport 2012 zufolge hat sich die Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund seelischer Beeinträchtigungen seit 1994 um 120 Prozent mehr als verdoppelt. Gleichzeitig sind die Fehlzeiten mit durchschnittlich 22,5 Tagen pro Krankheitsfall doppelt so lang wie bei anderen Krankheiten. Bei den Ursachen für eine Krankmeldung liegen psychische Probleme inzwischen an zweiter Stelle. Insgesamt waren 2011 mehr als 130.000 Personen wegen Burnout krankgeschrieben. Das führte zu 2,7 Millionen Fehltagen.

Belegen lässt sich der Zusammenhang von Erreichbarkeit und gesundheitlicher Belastung bei den beruflichen Telefonaten. Jeder sechste Arbeitnehmer wird laut DAK-Gesundheitsreport 2013 mindestens einmal pro Woche außerhalb der Arbeitszeit angerufen, acht Prozent müssen ständig mit Anrufen rechnen. Jeder vierte aus dieser Gruppe der stark Beanspruchten leidet unter einer Depression. Das entspricht 2 Prozent aller Arbeitnehmer.

Auffällig ist der Druck, unter den sich die Beschäftigten selbst setzen. Laut einer Erhebung im Auftrag des Spitzenverbands der gesetzlichen Unfallversicherungen gehen 40 Prozent der Arbeitnehmer davon aus, dass sie in der Freizeit für dienstliche Belange erreichbar sein müssen. Aber nur bei einer Minderheit gibt es dafür ausdrückliche Anweisungen.

Die gesundheitlichen Probleme beeinträchtigen nicht nur individuell die betroffenen Arbeitnehmer. Die Fehlzeiten belasten auch die Unternehmen und stellen in ihrer Summe einen volkswirtschaftlichen Schaden dar.

Daher setzt sich der KKV Bayern für folgende Ziele ein:

  • Es müssen Absprachen getroffen werden, wer wann und auf welche Weise tatsächlich erreichbar sein muss.Unternehmen sollten – wie einige dies bereits praktizieren – klare Regeln erlassen, dass berufliche Anrufe oder E-Mails außerhalb der Dienstzeit nur in definierten Ausnahme- und Notfällen zulässig sind.
  • Gegebenenfalls sollten die Tarifpartner zu diesen Fragen Vereinbarungen treffen.
  • Der gesetzliche Schutz der Sonn- und Feiertage sowie der stillen Tage muss erhalten bleiben.

Solche Maßnahmen sind im wohlverstandenen Interesse sowohl der Arbeitnehmer wie der Arbeitgeber.