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Die Bedeutung

Warum befasst sich der KKV mit dem Thema „Die neue Arbeitskultur“? Warum räumt er ihm so breiten Raum ein?

1 Aufgabe des KKV

Zunächst ist einmal festzuhalten: Die Beschäftigung mit Themen des Wirtschafts- und Arbeitslebens ist originäre Aufgabe eines Verbandes von Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung. Für einen katholischen Sozialverband gehört es zum Kerngeschäft, soziale und ökonomische Entwicklungen zu beobachten, zu bewerten und – soweit das möglich ist – zu beeinflussen. Dabei ist der Blick in die Zukunft unerlässlich. Was erwartet uns morgen? Wie können wir uns darauf einstellen und wie können wir unser Handeln so gestalten, dass wir auch vor künftigen Herausforderungen bestehen?

2 Wirtschaft als Existenzgrundlage

In der Diskussion wurde bisweilen geargwöhnt, es ginge bei dem Bemühen um eine neue Arbeitskultur nur um Profitsteigerung. Die Regeln für eine bessere Kooperation unter den Bedingungen der modernen Wissensgesellschaft zielten lediglich darauf, dass die Mitarbeiter reibungslos funktionieren. Die Argumentation, dass wirtschaftlicher Erfolg künftig ganz stark von einer gelingenden Kommunikation der Akteure abhinge, verabsolutiere den wirtschaftlichen Erfolg.

Dieser Einwand übersieht die grundlegende Bedeutung des Wirtschaftslebens für den Menschen. Wirtschaft dient angesichts der nur begrenzt verfügbaren Güter, die die Natur dem Menschen zur Verfügung stellt, der Existenzsicherung menschlichen Lebens. Papst Pius XII. hat dies einmal so ausgedrückt: „Auch die nationale Wirtschaft … hat keinen anderen Zweck, als dauernd die materielle Grundlage zu schaffen, auf der sich das volle persönliche Leben der Staatsbürger verwirklichen kann“ (Pfingstbotschaft 1941 in: Texte zur katholischen Soziallehre, S. 159). Papst Benedikt fasst die katholische Soziallehre daher so zusammen: „Der Bereich der Wirtschaft ist weder moralisch neutral noch von seinem Wesen her unmenschlich und antisozial. Er gehört zum Tun des Menschen“ (Caritas in veritate § 36).

Eine funktionierende Wirtschaft ist also, so dürfen wir folgern, schlichte Voraussetzung, damit die Menschen ihre berechtigten Bedürfnisse erfüllen können: sowohl die grundlegenden wie die nach Nahrung und Gesundheit als auch die etwa nach Kultur, Wissenschaft oder Spiritualität.

3 Würde der Arbeit

Die katholische Soziallehre räumt der Arbeit einen Vorrang im Wirtschaftsprozess ein. Die Arbeit gilt als „unmittelbarer Ausfluss der Person“ (Gaudium et spes 67); in ihr ist „immer die Menschenwürde des Arbeiters zu achten“ (Quadragesimo anno 83).

Gerade darum geht es auch der neuen Arbeitskultur. Sie will Formen der Zusammenarbeit verwirklichen, die die Würde eines jeden Mitarbeiters achten.

„Wenn eine Betriebsordnung gilt und Verfahren zur Anwendung kommen, die der Würde des arbeitenden Menschen nahe treten, sein Verantwortungsgefühl abstumpfen und seine schöpferischen Kräfte lahm legen, so widerspricht eine solche Art des Wirtschaftens doch wohl der Gerechtigkeit“, schrieb Papst Johannes XXIII. bereits 1961 (Mater et magistra 83). Solche verkehrten Arbeitsweisen und Betriebsverfassungen will die neue Arbeitskultur verändern bzw. vermeiden. Ihre Regeln sollen die Kreativität der Mitarbeiter fördern; sie wollen den Mitarbeitern ermöglichen, ihr Wissen ungeschmälert einzubringen und so Verantwortung wahrzunehmen.

4 Ethik

Wirtschaft ist ein Tun des Menschen. Daher geht es auch in der Wirtschaft um „richtig“ und „falsch“, um „gut“ und „böse“. Mit diesen Fragen hat es die Ethik zu tun.

Oder um es mit Benedikt XVI. zu sagen: „Der Bereich der Wirtschaft … muss, gerade weil er menschlich ist, nach moralischen Gesichtspunkten strukturiert … werden“ (Caritas in veritate 36).

Dass der KKV nach Regeln für eine neue Arbeitskultur sucht, ist auch so missverstanden worden, als ginge es ihm um eine weiteren Beitrag zu jener Ratgeberliteratur, mit der wir heutzutage überschwemmt werden. Das Projekt „Die neue Arbeitskultur“ fragt jedoch dezidiert nach ethischen Standards: Was soll ich tun? Wie soll ich mich verhalten? Was darf ich nicht tun?

Und stellt diese Fragen ganz konkret, für tatsächliche Situationen des Arbeitslebens. Diese Konkretheit ist typisch für das Nachdenken über ethische Fragestellungen. Es geht um konkretes Handeln.

5 Ethik Jesu

Dabei ist entscheidend, dass es nicht um bloße Benimm-Regeln, um Konvention geht.

Noch einmal Papst Benedikt: „Die Wirtschaft braucht für ihr korrektes Funktionieren die Ethik; nicht irgendeine Ethik, sondern eine menschenfreundliche Ethik“ (Caritas in veritate 45).

Das Projekt „Die neue Arbeitskultur“ will auch aufzeigen, dass die Regeln einer gelungenen Zusammenarbeit zentralen Forderungen Jesu entsprechen. Um es salopp auszudrücken: Man kann mit der Bergpredigt Wirtschaft machen.

6 Inkulturation

Manch einen Zuhörer oder Leser, der sich mit dem Projekt „Die neue Arbeitskultur“ befasst hat, verstört, dass dabei wenig von biblischer Botschaft oder katholischer Soziallehre explizit die Rede ist. Die Notwendigkeit einer neuen Arbeitskultur wird aus den Veränderungen des Wirtschaftens und der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen erklärt. Für die Regeln gelingender Kooperation wird damit geworben, dass sie zu wirtschaftlichem Erfolg führen.

Die Kirche musste zu allen Zeiten die christliche Botschaft so zur Sprache bringen, dass sie von den Menschen der jeweiligen Zeit und der jeweiligen Kulturen verstanden werden konnte. Das gilt auch für heute. Wir müssen die Ethik Jesu übersetzen. Und wenn es um das Wirtschaftsleben geht, dann eben in Begrifflichkeiten und Zusammenhänge, die dort nachvollziehbar sind. Das nimmt der christlichen Botschaft nicht ihre Substanz und auch nicht ihre Brisanz.